BGH: Direktansprache von Kindern in Free to Play Spielen wettbewerbswidrig
22. Januar 2014
BGH Urt. vom 17.07.2013, Az. I ZR 34/12Sachverhalt
Die Beklagte hatte auf ihrer Internetseite für den Erwerb virtueller Gegenstände in dem von ihr angebotenen „Free to Play“ (und damit grundsätzlich kostenlosen) Spiel unter der Überschrift „Pimp deinen Charakter-Woche“ darauf hingewiesen, dass auf den Spieler tausende Gefahren in der weiten Welt von „Taborea“ warten und ohne die entsprechende Vorbereitung die nächste Ecke im „Dungeon“ die letzte gewesen sein könne. Unmittelbar im Anschluss daran hieß es weiter:„Diese Woche hast Du erneut die Chance, Deinen Charakter aufzumotzen!
Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse „Etwas“.
Von Montag, den 20 April 17:00 bis Freitag, den 24. April 17:00 hast Du die Chance
Deinen Charakter aufzuwerten!“
Klickte der Spieler auf den Link, so gelangte er auf eine Internetseite der Beklagten, auf der verschiedene „Zubehörartikel“ für das Spiel zum Kauf angeboten wurden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen beanstandete dies als wettbewerbswidrige Werbung gegenüber Kindern (Verstoß gegen Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG und § 4 Nr. 1 und 2 UWG).
Entscheidung
Der BGH folgte der Argumentation des Klägers und untersagte die angegriffene Werbung.Praxishinweis
Der BGH hatte im Wesentlichen über zwei Fragen zu entscheiden, nämlich ob (1) sich die angegriffenen Aussagen überhaupt an Kinder richteten und (2) eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf enthielten. Beides bejahte der BGH und wurde dafür bereits heftig kritisiert (vgl etwa http://www.game-bundesverband.de/index.php/de/neues-mobil/132-stellungnahme-des-g-a-m-e-bundesverbands-der-computerspielindustrie-zum-gameforge-urteil-des-bgh). Bemerkenswert an der Entscheidung sind vor allem die Ausführungen des BGH zur ersten Frage. Zwar gestand der BGH zu, dass für die Annahme einer gezielten Ansprache Minderjähriger, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die bloße Anrede mit einem „Du“ für sich allein genommen nicht genügt, da diese Anrede heute auch zur werblichen Ansprache von Erwachsenen verwendet wird; der BGH meinte aber, dass die beanstandete Werbung (nicht nur) von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular, sondern auch durch die „überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlichen Anglizismen geprägt“ sei und hielt dies für ausreichend, um eine gezielte Ansprache Minderjähriger unter 14 Jahren zu bejahen.Diese Einschätzung des BGH überzeugt nicht. Sie trägt der Werbewirklichkeit, die auch bei der Ansprache Erwachsener von einem beiläufigen, lockeren Sprachstil geprägt ist, der auf Förmlichkeiten verzichtet, nicht ausreichend Rechnung. Dass immer mehr Anglizismen Eingang in die deutsche Alltagssprache finden, dürfte mittlerweile nicht nur jedem Internetnutzer, sondern auch jedem Verbraucher geläufig sein, der Printmedien konsumiert oder sog. Seifenopern im Fernsehen mitverfolgt. Sicherlich bedarf es immer einer Beurteilung der konkret verwendeten Begriffe im Einzelfall, die Aufforderung, etwas zu „pimpen“ bzw. „aufzumotzen“ rechtfertigt aber noch nicht die Schlussfolgerung, die angegriffene Werbung richte sich vorwiegend an Kinder. Beide Begriffe sind keineswegs neu und nur der Jugendsprache zuzurechnen, sondern werden seit der Erstausstrahlung der populären MTV Sendung „Pimp My Ride“ vor rund 10 Jahren insbesondere in der Tuningbranche für die Leistungssteigerung oder auch nur optische Veränderung von Automobilen benutzt (näheres zur Sendung findet sich u.a. unter http://de.wikipedia.org/wiki/Pimp_My_Ride). Der Begriff „Pimp“ wird mittlerweile fast inflationär für eine Vielzahl anderer Dienstleistungen, wie etwa die Veränderung von Personal Computern („Pimp my PC“) oder sogar Fahrräder („Pimp my Fahrrad“) verwendet. Der Begriff des „Aufmotzens“ kommt dagegen aus dem Spätmittelhochdeutschen und leitet sich von dem Wort „üfmutzen“ = sich herausputzen ab (motzen = schmücken, vgl http://de.wiktionary.org/wiki/aufmotzen), ist aber auch Angehörigen der „Generation 50+“, zu denen auch der Autor dieser Urteilsanmerkung zählt, hinlänglich bekannt und vertraut. Ein Blick ins Web zeigt, dass er nicht nur von Auto- und PC-Tunern, sondern inzwischen auch für die Restaurierung von Möbeln benutzt wird (http://www.aufmotzen.ch/). Unabhängig von alledem hat der BGH aber auch nicht berücksichtigt, dass rund 75% aller Online-Spieler über 25 Jahre alt sind (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/167997/umfrage/altersgruppenverteilung-der-online-spieler-in-deutschland/), was ebenfalls gegen die Annahme spricht, die beanstandete Werbung wende sich schwerpunktmäßig an Minderjährige unter 14 Jahren.
Obwohl die Entscheidung des BGH als Versäumnisurteil ergangen ist, ist nicht damit zu rechnen, dass ein dagegen noch möglicher Einspruch Erfolg haben wird. Die Bedeutung des Urteils geht weit über den entschiedenen Fall hinaus und kann grundsätzlich jeden betreffen, der am E-Commerce teilnimmt.
Dr. Andreas Leupold, LL.M.
Rechtsanwalt